Lifestyle/Kultur

Zeit Magazin

Modedesigner Yohji Yamamoto:

"Ich sage Nein zum Mainstream, zu Einflüssen, die kommen und gehen"

Yohji Yamamoto wollte nie Mode machen. Doch mit dem Hiroshima-Chic wurde er weltbekannt, entwarf für Adidas und Hermés. Doch Verweigerung bleibt sein stärkster Antrieb.

Als Kind hatte ich viele Träume. Ich wollte Maler werden. Oder Zeitungsreporter. Ich träumte nie davon, Modedesigner zu werden. Im Gegenteil, alles, was mit Kleidung zu tun hatte, war mir zuwider.

Ich wuchs in Yokohama bei meiner Mutter auf. Sie wurde schon bald nach ihrer Hochzeit Witwe und war gezwungen, mich allein großzuziehen. Lange Zeit hatte sie gehofft, einen neuen Mann zu finden, doch eines Tages gab sie auf. Ich war da vielleicht fünf Jahre alt. Ohne die Zusammenhänge genau zu verstehen, empfand ich das, was geschah, als extrem ungerecht. Es fühlte sich ganz falsch an, dass meine Mutter so hart arbeiten musste, um uns zu ernähren. Meine Wut war groß, doch ich konnte nichts tun. Mein Kinderzimmer lag neben dem Schneideratelier meiner Mutter. Sie beugte sich dort bis tief in die Nacht mit ihrer Assistentin über die Nähmaschine. Ich hörte die Nadeln surren, während ich versuchte einzuschlafen. Wenn eine der beiden ein neues Kleid zuschnitt, drang das Klappern ihrer Schere bis in meine Träume. Das Schlimmste aber war der Geruch des alten Dampfbügeleisens, der durch alle Ritzen kroch. Ich habe die Arbeit meiner Mutter wirklich gehasst.

Alle meine Zukunftsträume verpufften. Meine Mutter erwartete, dass ihr Sohn Jura studiert. Ich sollte ein erfolgreicher Geschäftsmann werden. Eisern setzte sie sich durch. Wenn ich als Kind nicht spurte, zog sie mir mit ihrem Maßband eins über. Manchmal fand ich sie furchterregend. Meine Beziehung zu ihr ist deshalb völlig ambivalent. Liebe und Hass: zwei starke Gefühle, die mich an sie binden.

Als ich von der Uni kam, war ich planlos. Statt als Jurist zu arbeiten, studierte ich Mode in Tokio. Ich ließ mich einfach treiben. Wie eine Nussschale auf einem Fluss trudelte ich immer weiter. Da ich nicht an Gott glaube, denke ich, dass irgendetwas anderes mich in die richtige Richtung gelenkt hat. Mein Schicksal? Wer weiß. Der Fluss mündete jedenfalls irgendwann ins Meer.

Mein Ozean war Paris. Schritt für Schritt bewegte ich mich in der Modewelt vorwärts. Dabei konnte ich nicht mal das Wort Mode leiden. Trends interessierten mich nicht. Statt die Hauptstraße zu nehmen, ging ich lieber abseits auf kleinen, gewundenen Wegen. Einige bezeichneten das, was meine damalige Weggefährtin Rei Kawakubo und ich machten, als Revolution. Unsere Entwürfe polarisierten, vor allem durch ihre manchmal morbide Optik. Manches Kleidungsstück haben wir zerrissen. Plötzlich sprach man vom Hiroshima-Chic. Ohne es zu wollen, hatte ich einen Trend auf den Weg gebracht. Seither drücke ich in allen meinen Entwürfen meine Antihaltung aus. Ich sage Nein zum Mainstream, Nein zu Einflüssen, die kommen und gehen.

Vor einiger Zeit verwirklichte ich doch noch einen meiner alten Träume. Ich begann zu malen. Landschaften oder Stillleben sind nichts für mich. Ich male ausschließlich Frauen. Meist mit dem Bleistift, manchmal in Öl. Ich schaffe meine Vision von Frauen, die ich sexy finde – egal, ob mit meiner Kleidung oder durch die Malerei. Sexy wirkt eine Frau auf mich, wenn sie intelligent ist, kein Make-up trägt und sehr hart arbeitet.

Foto: Peter Hönnemann

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